Anleitung: Körperbezogene Achtsamkeit für Kinder
Teil 2: Drei aktive Anleitungen zur Förderung der Achtsamkeit für Kinder
Das kindliche Gehirn bekommt von seinem Körper die meisten Reize zur Verarbeitung. Somit ist es am einfachsten, die Kinder über ihren Körper der Achtsamkeit und auch der Entspannung näher zu bringen.
Wir haben 3 Übungen zusammengetragen, welche die körperbezogene Achtsamkeit im Kind fördern können. Diese Übungen können sehr gerne mit den Eltern zusammen durchgeführt werden. Win-win für alle Seiten.
Den 1. Teil des Beitrags finden Sie übrigens hier.
Übung 1: Steinatmung bzw. bewusstes Ein- und Ausatmen
Unsere Atmung ist stark mit unserem Nervensystem verknüpft und steuert die Körpersysteme Sympathikus und Parasympathikus.
Atmen wir schnell, aktivieren wir damit unseren Sympathikus. Das bedeutet: Stresshormone werden ausgeschüttet, der Verdauungstrakt wird kurzzeitig aktiviert, das Blut fließt aus dem Gehirn in die Beine und wir sind bereit, schnell wegzulaufen. Regenerationsprozesse in der Zelle werden komplett ausgeschaltet. Angst ist hierbei die vorherrschende Emotion.
Atmen wir hingegen langsam und tief, bedeutet dies, dass unser Parasympathikus aktiv wird: Entspannungshormone werden ausgeschüttet, unser Gehirn ist gut durchblutet und in der Lage, richtige Entscheidungen zu treffen. Der Körper beginnt Reperationsprozesse in den Zellen zu aktivieren. Freude und ein Sicherheitsgefühl sind nun die vorherrschenden Emotionen.
Stress lässt sich nicht vollkommen vermeiden und das sollte auch nicht das Ziel sein. Doch ist es wichtig für die Kinder zu lernen, aus einer stressigen Situation immer wieder herauszufinden und wieder in die Entspannung und Ruhe zu kommen. Am einfachsten ist es, die Übung der sogenannten “Stein-Atmung” durchzuführen, um über die bewusst gesteuerte Atmung den Parasympathikus zu aktivieren.
Dafür legt sich das Kind bequem auf den Boden. Wenn es mag, kann es sich in die sogenannte Savasana Entspannungsposition legen. Das bedeutet, die Beine sind leicht gespreizt, die Arme sind leicht vom Körper abgewinkelt und die Handinnenflächen zeigen nach oben. Der Kopf liegt am besten ohne Kissen in Verlängerung der Wirbelsäule auf dem Boden auf.
Wenn das Kind eine entspannte Position gefunden hat, kann es sich selbst einen Stein oder ein Sandsäckchen auf den Bauch legen. Zu Beginn ist es von Vorteil, wenn das Kind einen klaren Gewichtsunterschied spüren kann, selbstverständlich sollte der Stein aber auch nicht so schwer sein, dass es dem Kind unangenehm ist.
Nun beginnt das Kind bewusst tief in den Bauch einzuatmen und somit den Stein nach oben wandern zu lassen. Beim Ausatmen senkt sich der Stein ganz gemächlich wieder und der Bauch wird wieder flach. Mit der nächsten Einatmung wandert der Stein wieder nach oben und der Bauch wird dabei schön groß und rund. Die Atmung sollte so langsam passieren, dass der Stein nicht runter purzelt.
Nach etwa 5-10 bewussten Atemzügen sollte das Kind geübt genug sein, die Augen schließen zu können und nur noch das Auf und Ab des Steins innerlich zu beachten. Das Schließen der Augen und das in den Körper hineinfühlen fordert wiederum das Körpergefühl des Kindes und verstärkt die Tiefe der Entspannung. Diese tiefe Atmung kann für etwa 5 Minuten durchgeführt werden.
Wenn das Kind mit dieser bewussten Atmung vertraut ist, kann dies dann auch als Einschlafhilfe oder sogar als Angstbewältigung-Tool genutzt werden.
Übung 2: Klangschale zur Entspannung und Ausreifung des Gehirns
Wenn eine Klangschale angeschlagen wird, wird nicht nur ein für das Ohr wahrnehmbarer Ton erzeugt, sondern auch eine Vibration bzw. eine Schwingung, die von unserem gesamten Körper wahrgenommen werden kann. Die Klangschale erzeugt eine Schwingung, die den Alpha-Wellen unseres Gehirns entspricht. Diese Alpha-Wellen werden von unserem Gehirn erzeugt, wenn wir meditieren, tagträumen, kreativ sind oder sogar, wenn wir entspannt Autofahren.
Die Schwingungen des Gehirns variieren je nachdem, was im Gehirn passiert, also ob man sich konzentriert, Angst hat, träumt. Diese verschiedenen Schwingungen können mit Hilfe des Neurofeedback Verfahrens gemessen und wissenschaftlich evaluiert werden. Dabei fand man heraus, dass Alphawellen auch dafür notwendig sind, eine optimale Kohärenz, also eine Zusammenarbeit aller Gehirnbereiche, zu erreichen. Dass dies für die kindliche Gehirnentwicklung von Vorteil ist, ist selbsterklärend.
Das hört sich jetzt recht kompliziert und wissenschaftlich an, dabei ist es ganz einfach:
Man kann einfach dieses wunderbare Hilfsmittel Klangschale nutzen, um zu entspannen, aber auch, um das kindliche Gehirn sanft zur natürlichen Ausreifung zu aktivieren. Das Schöne dabei ist, dass man, um die Klangschale als Elternteil nutzen zu können, kaum Erfahrung braucht.
Das Kind darf sich jedoch erstmal innerlich darauf einstellen, dass es nun eine Klangschalenerfahrung machen darf. Dafür darf sich das Kind entspannt auf den Boden oder ins Bett legen. Wenn es sich sicher genug fühlt, kann das Kind die Augen schließen, um das Körpergefühl noch zu intensivieren.
Das Elternteil setzt sich entspannt neben das Kind und beginnt, die Klangschale sanft anzuschlagen. Sobald der Ton verklungen ist, wird ein neuer Anschlag vorgenommen. Gerne können die Pausen zwischen den Anschlagen auch etwas variieren. Viel falsch machen kann man dabei nicht, einfach ausprobieren und selber rein spüren.
Trotzdem sollte das Elternteil das Kind immer aus dem Augenwinkel beobachten und schauen, wie es sich auf die Klangschale einlassen kann. Optimal ist es, wenn sich die Atmung des Kindes selbstständig verlangsamt und vertieft. Dies ist ein Zeichen, dass die Entspannung eintritt.
Manchmal braucht es auch mehrere Ansätze, bis das Kind sich wirklich tief auf die Klangschale einlassen kann.
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Übung 3: Konzentrierte Langeweile oder “ich spüre, was du nicht spürst”
Soviel passiert in einem Moment, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Bewusst raus aus dem Kopf, rein ins Körpergefühl ist hier jetzt die Devise. Aber lass uns ein Spiel draus machen!
Wie viel kannst du bewusst wahrnehmen und dann auch noch benennen?
Dieses Spiel kann während des Wartens auf den Bus, als Ablenkung beim Spazierengehen oder als Abendritual genutzt werden. Es geht einfach darum, Bewusstheit für sämtliche Reize zu fördern, die uns umgeben. Und gleichzeitig fördert es die Artikulationsfähigkeit des Kindes bezüglich seiner eigenen Gefühle und Empfindungen.
Ob man nun liegt, steht, läuft – ist ganz egal. Anfangs braucht es zwei Spieler, später kann das Kind es auch innerlich alleine spielen. Es wird immer abwechselnd ein Sinnesreiz benannt, ohne diesen emotional zu bewerten. Ziel ist es, immer weitere Beispiele zu finden. Wer nichts mehr weiß, “verliert”.
Hier ein paar Beispiele:
Ich spüre den kalten Wind auf meiner Haut, besonders an meinen Wangen.
Ich empfinde das Licht als eher warm.
Mein Bauch grummelt innerlich.
Wenn ich durch die Nase einatme, fühlt es sich kälter an, als wenn ich durch den Mund einatme.
Ich höre Musik aus dem Haus nebenan.
Der Mann hat eine eher dunkle Stimme.
Mein kleiner Finger juckt.
Ich kann spüren, wie mein T-shirt sich am Bauch spannt, wenn ich einatme.
Wenn ich denke, höre ich meine eigene Stimme in meinem Kopf.
Ich denke eher in Bildern als in Wörtern.
Ich empfinde die Musik im Radio als zu laut.
Hier riecht es nach frisch gemähtem Gras.
Ich sehe einen ausgespuckten Kaugummi auf der Straße.
Ziel dabei ist es, einfach bewusst innezuhalten und die innere und äußere Wahrnehmung zu schulen. Auch gilt es eine Bewusstheit dafür zu entwickeln, was passiert außerhalb von mir, was innerlich von mir und wo ist die Grenze, wo außen und innen verschwimmen.
Dies ist ein spielerischer Ansatz zur Selbstreflektion und zum Erkennen seiner eigenen Emotionen und fördert auf Dauer die Reflektionsfähigkeit im Kind.
Förderung der körperbezogenen Achtsamkeit im Alltag ist spielerisch möglich
Wie man sieht, muss man nicht immer gleich stundenlang meditieren oder das Kind ins tibetische Kloster schicken: Die Förderung der körperbezogenen Achtsamkeit im Alltag darf spielerisch erfolgen. Denn Kinder sind im Vergleich zu Erwachsenen noch sehr mit ihrem Körper verbunden, also lass uns doch dort so wie beschrieben ansetzen.
Wichtig ist, ein Verständnis dafür zu gewinnen, dass das kindliche Gehirn nicht mehr langweilige und anstrengende Konzentrationsübungen braucht, um besonders schlau zu werden, sondern oft genau das Gegenteil: Entspannung und Ruhe und den bewussten Einbezug des Körpers.
Vielleicht ist es auch an der Zeit, als Erwachsene entspannter zu werden, um somit schlaue und entspannte Vorbilder für unsere Kinder zu sein. Also dürfen all die Übungen auch gerne von den Eltern angewendet werden. Denn genauso wie entspannte Kinder braucht unsere Gesellschaft auch mehr entspannte Erwachsene.
Quellenverzeichnis
- Smart waves, “ Entwicklungsprozess der Gehirnwellen”, https://www.smart-waves.de/entwicklung-der-gehirnwellen-bei-kindern/, abgerufen am 25.02.2023.
- Incompany, “Meditation und die Gehirnwellen”, https://www.incompany-gmbh.de/meditation-teil-3-meditation-und-die-vom-gehirn-erzeugten-elektrischen-wellen/, abgerufen am 25.02.2023.
- Wunderwerk Heilsame Klänge, “Klang und Gehirnwellen”, https://www.wunderweg.ch/klang-und-gehirnwellen/, abgerufen am 25.02.2023.